Ein Film von Ilona Ziok (CV Films Berlin)
Ein deutscher Staatsanwalt, der bei seinen Ermittlungen über NS-Verbrechen in die Netzwerke von Alt-Nazis gerät. Das Psychogramm eines Aufrechten in den 60er Jahren und einer Nation, die von ihrer Vergangenheit nichts wissen wollte. Deutsche Geschichte ganz nahe am Abgrund?
„Wir Emigranten hatten so unsere heiligen Irrtümer. Daß Deutschland in Trümmern liegt, hat auch sein Gutes, dachten wir. Da kommt der Schutt weg, dann bauen wir Städte der Zukunft. Hell, weit und menschenfreundlich. […] Dann kamen die anderen, die sagten: „Aber die Kanalisationsanlagen unter den Trümmern sind doch noch heil!“ Na, und so wurden die deutschen Städte wieder aufgebaut, wie die Kanalisation es verlangte. […] Was glauben Sie, kann aus diesem Land werden? Meinen Sie, es ist noch zu retten? […] Nehmen Sie die ersten Bonner Jahre! Keine Wehrmacht! Keine Politik der Stärke! Nun betrachten Sie mal die jetzige Politik und die Notstandsgesetze dazu! Legen Sie meinethalben ein Lineal an. Wohin zeigt es? Nach rechts! Was kann da in der Verlängerung herauskommen?“
Mit derselben Zielgerichtetheit, mit der er die Angehörigen des Hitler-Attentats rehabilitierte, hat Bauer wie kein anderer Jurist die Aufhellung und Ahndung der Nazi-Verbrechen in Gang gesetzt. Als hessischer Generalstaatsanwalt von 1956 bis 1968 war er der maßgebliche Initiator der Frankfurter Auschwitz-Prozesse.
Eine wichtige Rolle spielte Bauer auch bei der Ergreifung Adolf Eichmanns. Da er berechtigte Zweifel hegte, dass die deutsche Justiz nachdrücklich genug Eichmanns Auslieferung fordern und ihn konsequent wegen Mordes in vielen tausend Fällen anklagen würde, informierte er die Israelis über den Aufenthaltsort des berüchtigten „Buchhalters der Endlösung“, damit Eichmann in Jerusalem vor Gericht gestellt werden konnte.
Während seiner Amtszeit in Frankfurt am Main hat Bauer in Hessen als erstem Bundesland auch die Reform des Strafvollzugs maßgeblich vorangetrieben. Dessen Humanisierung gehörte für ihn zu einer Demokratisierung der Gesellschaft.
Durch sein vielfach provozierendes Auftreten – so redete er einmal Strafgefangene mit „Meine Kameraden“ an – und durch seine Unnachgiebigkeit gegenüber NS-Verbrechern wurde Bauer im restaurativen Klima der Ära Adenauer zur Provokation für den Zeitgeist, nicht nur der rechten und rechtsradikalen Kritik. Aufsätze und Reden mit Titeln wie „Mörder unter uns“ und „Am Ende waren die Gaskammern“ erregten Anstoß in den 1950er und 60er Jahren, die Mehrheit der Deutschen wollte einen Schlussstrich ziehen.
Antisemitische und politische Anfeindungen begleiteten von daher das Leben des Juristen. Der status quo ante bestimmte – mutatis mutandis – die Situation in der jungen BRD, wo Beamte und Angestellte, die während der NS-Herrschaft an der Verfolgung mitgewirkt hatten, auf ihre Stellen und Posten zurückkehrten, selbst in hohen Positionen. Weil Bauer sich dagegen wandte, dass sich die Gesellschaft in dieser Geschichtsvergessenheit einrichtete und einen wirklichen Neubeginn anstrebte, stieß r auf Ablehnung und Zurückweisung; bei den Ewiggestrigen, aber auch bei den vielen Opportunisten und Beschwichtigern.
Generalstaatsanwalt Dr. Bauer war seiner Zeit weit voraus, seine rechts- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen, auch die des internationalen Gerichtshofs, stießen noch nicht auf die wünschenswerte positive Resonanz. Die Unentschiedenheit der Gesellschaft im Hinblick auf ihre Vergangenheit, die Selbstschonung vor dem Schock, den der Blick in den eigenen Abgrund auslöst, verhinderte noch lange nach Bauers Tod die Aufhellung der Geschichte. In der Justiz, so sagte der Generalstaatsanwalt oft, lebe er wie im Exil. Doch er ließ sich nicht abbringen von seinem Weg der Aufklärung und des demokratischen Neubeginns.
Ein schwerer Schlag für den Sozialdemokraten und Widerstandskämpfer wurde dann allerdings die Verabschiedung der Notstandsgesetze. Bauer sah diesen Schritt als eine irreparable Rückwende zum autoritären Staat, die junge Demokratie gab sich unter dem Vorwand auf, sich selbst retten zu müssen. Hatte sie so wenig innere Substanz? Als im Mai 1968 schließlich die Dreher-Gesetze vom Bundestag verabschiedet wurden, bedeutete dies den Dolchstoß für Bauers Hoffnung auf eine wirkliche Auseinandersetzung mit der Nazi-Geschichte.
Am 30. Juni 1968 wurde der Jurist tot in seiner Frankfurter Wohnung aufgefunden. Die Räume waren ‚aufgeräumt’, es lagen nicht wie sonst überall angefangene Skripte und Materialien herum. Alles war weg. Die Umstände von Fritz Bauers Tod geben bis heute Rätsel auf.
Mit Akribie hat die Regisseurin Ilona Ziok Archive durchforscht und wegweisende Statements des hessischen Generalstaatsanwalts ausgegraben. Um sie herum montiert sie in Form eines filmischen Mosaiks Archivmaterial mit ausgesuchten Werken klassischer und zeitgenössischer Komponisten und die Aussagen von Bauers Zeitzeugen: Freunde, Verwandte und Mitstreiter. Dabei entsteht nicht nur die spannende Handlung eines beeindruckenden Lebens, sondern auch das eindrucksvolle Porträt eines der bedeutendsten Juristen des 20. Jahrhunderts.
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